H. Th. Baumann – Porzellandesign, V.Kapp

Am liebsten wollte Baumann die ganze Designstrategie eines Unternehmens prägen, um Identifikation zu ermöglichen und einen bestimmten Typ von Warenästhetik durchzusetzen. Dieses Verlangen ist nicht mit einem Alleinanspruch zu verwechseln, wie wenn er keine Nebenbuhler neben sich ertragen könnte. Ganz im Gegenteil fasst er konkurrierende Entwürfe als stimulierend auf, sofern sie Vielfalt, aber nicht Niveauverlust bedeuten. Falsche Kompromisse und einfallsloses Kopieren verabscheut er, den Wettstreit verschiedener Kreationen hält er hingegen für verkaufsfördernd. Deshalb nahm er sich selbst auch die Freiheit heraus, durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Firmen seinen eigenen Stil zu entfalten.

„Die Bindung an ein einziges Unternehmen sei nicht nur ein

Vorteil, sie könne zur Fessel werden. Ein Designer gebe dann sein Bestes, wenn die in den Manufakturen jeweils vorhandenen Traditionen in Aussehen und Fertigung des Porzellans eine Diversifizierung der Palette seiner Kreationen ermöglichen. „

Er arbeitete in Deutschland mit vielen verschiedenen Unternehmen zusammen, insbesondere mit Rosenthal, Schönwald und Arzberg und empfand es als Herausforderung, in Limoges an die große französische Tradition anzuknüpfen, ebenso als er in Japan mit Fukagawa arbeiten konnte.

Von 1957- 1988 war die Form 13000 ,,Berlin“ auf dem Markt, im Laufe der Produktion in etwa 115 Dekorvarianten.

Die Staatliche Porzellan-Manufaktur Berlin produzierte Baumanns Form

Silhouette“ eines der ersten Service mit kantigen Teilen, deren quadratische Teller damals bei der Herstellung so hohe Anforderungen stellten, daß sie nur für ein Luxusgeschirr wirtschaftlich zu vertreten waren.

Bei der Form ,,Berlin“ ist die Vorherrschaft des Konischen, die nur noch am oberen Ende der Gefäßkörper vorkommt, durch den Zylinder abgelöst worden, der in den sechziger Jahren dominierte. Beide Service hatten also programmatische Bedeutung, auch wenn dies erst im Rückblick ganz deutlich zu erkennen ist. Sie waren der Auftakt einer Serie von 21 verschiedenen, vielteiligen Servicen, die Baumann bis 1989 entworfen und die europäische Porzellanindustrie produziert hat.

Ebenso charakteristisch wie die frühen sind die späteren Service für seinen Stil.

Für die Form 5500 „Brasilia“ hat 1975 Baumann die höchsten Auszeichnungen, eine Goldmedaille beim prestigereichen Wettbewerb in Faenza und den Internationalen Preis von Spanien, erhalten.

Sie realisiert in einer für ihn typischen Weise eine Einheit von Funktionalität und Formvollendung. Durch die Tendenz zur Rundung unterscheidet sie sich von der Form 7000 ,,Delta“, die von einer analogen Grundstruktur ausgehend die Gerade heraus kehrt. Ihr Aussehen wird geprägt durch eine durchgehende Linie von der Tülle bis zum Henkel bei Kaffee- und Teekanne, wobei die leichte Erhebung des Deckels keineswegs jedoch als Unterbrechung fungiert.

Beide Formen wirken zierlich im Vergleich zur massiveren Form ,,3000″ aus feuerfestem Cordierit deren rustikaler Charakter an das auch in Deutschland beliebte skandinavische Design anschließt und deren Töpfe besonders für die Reinigung in der Spülmaschine geeignet sind.

In Faenza wurden 1975 alle ausgestellten Kreationen von Baumann mit einer Goldmedaille ausgezeichnet.

Dies waren neben dem Service „Brasilia“ noch drei Vasenserien. Ebenfalls einfache Grundformen, von großer Schlichtheit und überzeugendem Gebrauchswert. Porzellan mittlerer Preisklasse erhält dadurch den ästhetischen Rang von Luxusgeschirr und bestätigt damit Baumanns Überzeugung, daß eine erlesene Formensprache, Breitenwirkung erzielt, wenn sie die industriellen Fertigungsmöglichkeiten kreativ für die Ausgestaltung von Geschirr zu nutzen weiß.

Die Form des Geschirrs besitzt ihr Eigenleben. Deshalb soll sie nicht durch den Dekor zugedeckt werden. Die ihr eigenen Proportionen müssen klar hervortreten. Bei der Vasenserie „ 1304/ 1305″ wird der Zylinder durch die zentrale Einbuchtung überspielt. Hier ist kein zusätzlicher Schmuck mehr notwendig, da der Stoff des Porzellans selbst so weit wie möglich asthetisch genutzt ist.

Wahrscheinlich ist das Bemühen um eine umfassende formale Einheit, der Grund für die häufige Verwendung des Reliefs durch Baumann.

Das Relief ist ein Dekor-Verfahren, dem Baumann von Anfang an viel Bedeutung beimaß. Die Geschenkserie ,.Kyoto“ ist ein besonders gelungenes Beispiel für dieses Prinzip.

Die Schauseiten der ovalen Vasen, bei denen die beiden Enden des Ovals nach innen geklappt und ohne Relief sind, tragen neben der horizontalen eine geschwungene Linienform, die für sich selbst spricht. Beim Service ist eine andere Handhabung des Reliefs erforderlich.

Die Form 5075 , Turku hat es auf der Fahne der Teller und in den abgeschrägten Teilen der Gefäßkörper.

Die Form „Sappho“ enthält hingegen Relief nur als dekorativen Fries auf der Fahne der Teller und am oberen Ende der Gefäßkörper.

Das Teeservice, das Baumann für die Firma Aboth / Kaiser 1984 entwarf und ab 1989 produziert wurde, bringt eine neue Wendung in seine Formensprache, die reich genug ist, um die Veränderungen des Zeitgeschmacks, mit für ihn typischen Entwicklungen zu antworten

Die Herstellung eines neuen Service ist für Industrie wie Designer ein Wagnis. Technische Probleme der Fertigung und Marktstrategien bringen es mit sich, daß vieles nicht produziert wird, was entworfen wurde. Baumann hat viele solcher Entwicklungsmodelle in seinem Archiv.

In der oberen Regalreihe stehen einige dieser Entwicklungsformen, z.T. noch mit handschriftlichen Bemerkungen.

Auszüge aus dem Buch Baumann, Kunst und Design

Prof. Dr. Volker Kapp