H. Th. Baumann – Die Form Berlin

Baumann selbst wollte sicher keine Sensation. Im Gegenteil, Gebrauchsdinge sollten sich seiner Meinung nach tunlichst zurückhalten. Aber gerade weil er seine Entwürfe so konsequent auslegte und nicht zuletzt den Kampf gegen unnütze Schnörkel ernst nahm, geschah genau das Gegenteil. Zeitgenossen, denen die Form 3000 Berlin zu einfach war, nahmen Anstoß an der «nackten» Form.

Das gegenüber zeitgleichen Entwürfen recht karg wirkende Kaffee- und Essservice, dessen erste Skizzen sogar drei Jahre zurücklagen, erregte Aufsehen. Dies lag daran, dass der 35-jährige in seiner abstrahierenden Methode, der Zeit um einiges voraus war! Baumann hatte die klare Durchgestaltung konsequent zu Ende geführt und damit jene Linearität, die sich in den 60er Jahren durchsetzen sollte, vorweggenommen. Alles Bauchige, das die Servicegeschichte so lange geprägt hatte, war einer fast architektonischen Strenge gewichen, die durch das grafische Dekor noch betont wurde. Auffällig ist der leicht abgeknickte obere Rand der Kannen, Tassen und Dosen. Dieser Stehkragen erleichtert das Trinken und das sichere Aufsetzen der Deckel. Zudem gibt dieses originelle Detail dem Entwurf einen ganz eigenen Charakter und wirkt als verbindendes visuelles Element. Baumann, der insgesamt über 20 Services entwarf, schuf hier sein Meisterstück. Passend zum Service entstanden später auch Gläser und ein denkbar schlichtes Besteck gleichen Namens.

Entwurf: Hans Theo Baumann

H. Th. Baumann – Rosenthal Studio

Die Form Berlin war so modern, daß sie 1961 in die von Rosenthal auf Anregung junger Werkbundkünstler neu begründete Studio-Linie aufgenommen wurde. Diese Linie setzte seit Anfang der 60er Jahre neue Akzente im deutschen Porzellansektor.

Mit über 115 verschiedenen Dekorvarianten erwies sich die Form Berlin bis 1988 als ein wahrer Dauerläufer, wie dies bei Gebrauchsartikeln dieses Genres außergewöhnlich selten ist. 

Weiter wurden über 50 verschiedene von Baumann geschaffene Geschenkartikel, Vasen, Dosen, Schalen und Rauchutensilien unter der Rosenthal Studiolinie verkauft. Die zum Teil von Baumann selbst entworfenen Dekore unterlagen überwiegend einer strengen Geometrie und Ornamentik. Viele in Weißgold, bzw. Gold auf dunkelfarbigem Fond. Die Porzellanstücke waren teilweise mit der Baumann Signatur versehen und haben heute Sammlerwert.

Die Form Berlin gab es in 115 Dekorvarianten! Die Form Purpur in kräftigem Rot war eine Sensation und verkaufte sich entsprechend. Nicht alle Dekore stammten von Baumann, auch andere Künstler, wie Bjoern Wiinblad, Bele Bachem und Emilio Pucci schufen Dekore für Berlin.

Geschenkartikel für die Rosenthal Studio-Linie

H. Th. Baumann – Porzellan, Form Delta

Form Delta, Arzberg, 1978

Das 1979 auf der Frankfurter Frühjahrsmesse dem Fachpublikum vorgestellte Service „Arzberg 7000 Delta“ bot das Unternehmen Arzberg als Kaffee-/Teeservice sowie als Speiseservice an. Das Geschirr war sowohl in rein weißer Ausführung als auch in zahlreichen Dekorvarianten erhältlich. Bei dieser Form experimentierte Baumann mit Dekoren, die wir in seiner Kunst wiederfinden.

Ein kleiner firmeneigener Werbeprospekt vom Mai 1980 mit dem Titel „Arzberg-Delta“ charakterisiert das Service wie folgt:

 „Über Geschmack lässt sich streiten, über „Delta weiß“ nicht – das neue, hervorragend gestaltete Geschirr paßt überall hin, rückt jede Tafel ins rechte Licht. Sein meisterhaftes, aktuelles Design, seine natürliche Schönheit und seine Gebrauchstüchtigkeit setzen Glanzpunkte im Grau des Alltags – „Delta“ überzeugt auf den ersten Blick.“

Eine spätere Produktbroschüre vom August 1987 bringt die Eigenschaften der Geschirrserie stichwortartig unter dem Slogan „Einzigartige Atmosphäre, liebenswert, unaufdringlich, großzügiges Design, zeitgemäß. Funktionsbezogen, weiche, fließende Linien. Qualität gewinnt!“

Ein ausführlicher Presseartikel in dem Fachmagazin „Die Schaulade“ vom April 1979 lobt das Service ebenfalls in den höchsten Tönen. Dabei wird deutlich, dass der Bereich „Geschirr“ und „Gedeckter Tisch“ offensichtlich weiterhin als Domäne der (Haus)Frau wahrgenommen wird!

 „Arzberg bringt mit Delta eine Form auf den Markt, mit deren natürlicher Schönheit sich Frauen unserer Zeit in gewisser Weise identifizieren können, mit der es ihnen möglich ist, ihren Lebensstil auszudrücken. Denn das neue Service ist nicht nur das Ergebnis einer intensiven, harmonischen Zusammenarbeit zwischen einem erfahrenem Porzellanhersteller und einem Künstler, der begriffen hat, was man aus Porzellan machen kann, sondern auch das Produkt von langjährigen Marktstudien und der Erforschung von Lebensgewohnheiten. […] Die neue Form, von dem vielseitigen Hans Theo Baumann entworfen, […] spricht ein klare, unkomplizierte Sprache, die Menschen unserer Zeit mit ihrem ungezwungenen Lebensstil und ihrer offenen Art, miteinander umzugehen, auf Anhieb verstehen. Das traditionsreiche Material Porzellan wurde hier unverfälscht, ohne Gags und vergänglichen modischen Firlefanz verarbeitet. Die Betonung lag dabei auf der harmonischen Verbindung von Funktionalität und Ästhetik. […] Alle Teile des zeitgemäßen, sorgfältig verarbeiteten Services sind aus bestem Rohstoffen gefertigt, kratz- und stoßfest und selbstverständlich spülmaschinensicher. Durch ihre schnörkellose ‚Architektur‘, ohne Ecken und Kanten, sind sie außerdem auch mit der Hand problemlos zu reinigen.“

Auszug aus dem digitalen Katalog, Landesmuseum Karlsruhe

H. Th. Baumann – Porzellan, Form ABC

Die Form 200 „ABC“ revolutionierte das Haushaltsgeschirr mit ihrer Stapelbarkeit und vielseitigen Verwendbarkeit. Für junge Haushalte konzipiert, bot das Set alles Notwendige für Frühstück, Mittagessen und Kochen, aufgeteilt in drei praktische Kartons. Dank der durchdachten Funktionalität und des modernen Designs erhielt Baumann zahlreiche internationale Auszeichnungen und machte „ABC“ zu einem Meilenstein im Porzellanbereich.

Übersicht:

H. Th. Baumann – Form ABC

Veröffentlichungen und Preise für die Form 200 „ABC“

Die Zeitschrift Das Haus (6/1965) stellt „ABC“ als „funktionsgerecht, zeitlos modern und robust (spülmaschinenfest)“ vor und spricht sogar von einer „Revolution auf einem Gebiet, das uns alle angeht“. Sie nennt auch die intendierte Käuferschicht: junge Ehepaare, Junggesellen, Studenten und Familien in kleinen Wohnungen.

Die Zeitschrift Pottery Glas Tableware, Gazette and Trade Review zitiert David Philips mit dem Ausspruch: „Dies ist eine gute Verkaufsstrategie“ (April 1966). Gemeint ist damit die Idee, komplette Sets für die verschiedenen Bedürfnisse anzubieten.

In der Zeitschrift md möbel design interior (November 1965) werden sie beschrieben: „In drei Kartons befindet sich alles, was zwei Personen für Frühstück und Abendessen brauchen (Karton A), für das Mittagessen (Karton B) und zum Kochen und Grillen (Karton C). Dabei enthalten alle Kartons vollständige Ausstattungen, die sich gegenseitig ergänzen. Insgesamt besteht die Form 200 aus 27 Porzellanteilen und 11 Flammfestartikeln. Alle Geschirre mit gleichem Durchmesser sind stapelbar, auch die Kannen, die Kannendeckel sind gesichert. Acht verschiedene Schüsselgrößen mit 11 cm, 17 cm und 20 cm Durchmesser, sämtliche aus Thomas-Flammfest. Sie sind für alle Koch- und Serviervorgänge bestimmt, wobei die Schüsseldeckel noch als Grillteller und Untersatz dienen.“

Die Einhaltung eines einheitlichen Grundmusters, die Stapelbarkeit der Einzelteile und die vielseitige Verwendbarkeit von Deckeln als Untersatz oder Schale war bis dahin kein Kriterium, auf das bei der Herstellung von Haushaltsporzellan geachtet wurde. Baumann trieb aber die Konsequenz des Systems noch weiter und schuf zum Geschirr fünf verschiedene Glasbecher, Tischwäsche und Geschirrtücher sowie das Salatbesteck.

Für die Form 200 „ABC“ erhielt er viele Preise, 1965 den Diploma d’Onore und Targa d’Argento beim Salone internazionale della Ceramica in Vicenza, 1966 ein Certificat of Honour beim Bio 2. Biennial Ljubljana sowie den Blue Ribbon Award der Daily Mail. 1967 gewann er den 1. Preis der Ausstellung MACEF Milano sowie die Blue Ribbon Presentation der Daily Mail Ideal Home Exhibition. 1969 war „ABC“ beim Internationalen Design Zentrum Berlin und bei „Die Welt der Gegenstände“ in Jablonec CSSR, 1970 bei „if. Die gute Industrieform“ in Hannover ausgestellt, was ebenfalls Auszeichnungen sind.

(Auszug aus Prof. Dr. Volker Kapp, Kunst und Design, H.Th. Baumann, 1989)

H. Th. Baumann – Sonderdruck, „md“ Möbel-interior-design

Thomas-ABC von H. Th. Baumann

Eine vollständige Ausstattung für Tisch und Küche, einschliesslich Verpackung, hat Hans Theo Baumann für die Thomas-Porzellanfabriken, Selb/Bayern, entworfen. Das Neue daran: sie ist speziell für den jungen Haushalt bestimmt, um auch dieser Tischkultur zu ermöglichen. In drei Kartons befindet sich alles, was zwei Personen für Frühstück und Abendessen brauchen (Karton A), für das Mittagessen (Karton B) und zum Kochen und Grillen (Karton C).

Dabei enthalten alle Kartons vollständige Ausstattungen, die sich gegenseitig ergänzen. Insgesamt besteht die Form 200 aus 27 Porzellanteilen und 11 Flammfestartikeln. Alle Geschirre mit gleichem Durchmesser sind stapelbar, auch die Kannen, die Kannendeckel gesichert. Acht verschiedene Schüsselgrössen mit 11 cm, 17 cm und 20 cm Durchmesser, sämtliche aus Thomas-Flammfest, sind für alle Koch- und Serviervorgänge bestimmt, wobei die Schüsseldeckel noch als Grillteller und Untersatz dienen. Da die Dekors auf Säure- und Spülmittelbestandigkeit geprüft sind, eignet sich das Geschirr für Spülmaschinen. Jedes Teil kann einzeln nachgekauft werden. Obwonl es die Glas-Form 200 nur in fünf Grössen gibt, wurden doch viele Getränke berücksichtigt; ausserdem macht sie die eingezogene Rille besonders griffig. Das auf Glas und Porzellan abgestimmte Thomas.-Besteck ist aus Chromnickelstahl. Für Tranchier- und Aufschnittbrett sowie Kochlöffel wurde Ahorn, für Tablett und Salatbesteck Luran verwendet. Zu den Sets und Servietten Thomas-lrisette aus einer hochwertigen Baumwolle, Indanthrengarn gefärbt und kochecht, kommen Halbleinen Geschirrtücher und gefütterte, von links oder rechts zu tragende Koch- und Grillhandschuhe.

H. Th. Baumann – Hotelporzellan

H. Th. Baumann entwickelte für die Firma Schönwald drei verschiedene Hotelformen, die bis heute bei BHS tabletop (Bauscher/ Hutschenreuther/ Schönwald), produziert werden und in vielen Hotelkonzernen (Hilton, Kempinski), Kantinen (z.B. Siemens) und Krankenhäusern in Gebrauch sind:

die Form „2298“  Hotel Rastergeschirr, Schönwald, 1973
die Form   „898“  Hotel Geschirr, Schönwald, 1973
die Form „1098“  Hotel Geschirr, Schönwald, 1977

Schönwald setzte sich zum Ziel, für alle zukunftsorientierten Versorgungssysteme der Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung ein universelles Geschirr zu schaffen.

Solche Systeme verlangen:

Eine optimale Raumausnutzung, vielseitige Verwendbarkeit, individuelle Austauschbarkeit, umfassende Stapelbarkeit, höchste Gebrauchsstabilität, erleichterten Service, verbesserte Wärmespeicherung, Spülmaschinen-Freundlichkeit. Dafür war höchstwertiges Hartporzellan notwendig, das in Spezialöfen bei 1430° gebrannt wird. Das BHS Hotelgeschirr wurde dadurch international zu einem Begriff für höchste Qualität.

Wichtig war für BHS auch die effiziente Produktion. Baumann gestaltete die Form so, dass sie einfach und kostengünstig in großen Stückzahlen produziert werden konnte, ohne dabei an Qualität einzubüßen. Dies war ein entscheidender Vorteil für BHS, um den Anforderungen der Massenproduktion gerecht zu werden. Bei aller Priorität der Funktion muss ein Gebrauchs-Geschirr auch noch ästhetisch befriedigen.

Alles Herausforderungen, die Baumann reizten, spielte er doch bereits bei seinem ABC Geschirr alle Rastermöglichkeiten mit Erfolg durch und setzte bereits dort die gleichen Qualitätsmerkmale an.

Die Form ABC fand hier eine Weiterentwicklung im Hotelporzellan von BHS und aus diesem wiederum entwickelten sich die Bordgeschirr-Formen für die Lufthansa.

Formen: